Industrie 4.0: Hohe Erwartungen, Ängste und nebulöse Begriffe

Ein Rückblick auf die Vortragsveranstaltung „Technologiepotenziale für eine innovative Produktionstechnik (Industrie 4.0)“ beim VDI in Berlin

[CI4, 09.03.2015] Das Internet der Dinge und Dienste sei noch ein ziemlich unscharfer Begriff – es werde viel darüber gesprochen, aber bisher wenig realisiert, so Dipl.-Ing. Claudio Geisert, Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK, in seinem Vortrag „Technologiepotenziale für eine innovative Produktionstechnik (Industrie 4.0)“ in der Geschäftsstelle des VDI Bezirksvereins Berlin-Brandenburg (VDI BV BB) am 12. Februar 2015.

Gefahren und Ängste bei der Vernetzung

Die technischen Grundlagen reichten schon relativ weit zurück (s. z.B. „eIndustrial Services“ zur Verfügbarkeitssteigerung von Maschinen in den Jahren 2000 bis 2003). Jedoch gebe es Bedenken bei der Vernetzung von Maschinen etwa aufgrund der Sorge vor dem Auslesen vertraulicher Produktionsdaten.
Zudem erwachse aus der Fälschung von Ersatzteilen (Produkt-Piraterie) eine erhebliche Gefahr für die Gesamtintegrität vernetzter Produktionssysteme. So gebe es nicht von ungefähr ein eher „reaktives“ Verhalten gegenüber neuer Technologie in Deutschland, so Geisert.

Hohe Erwartungen an einen unscharfen Begriff

Trotzdem bestünden aktuell extrem hohe Erwartungen an die „Industrie 4.0“ – jeder wolle vorgeblich etwas tun, aber deren genaue Definition sei noch unklar.
Geisert nannte auch das Stichwort „Big Data“ und sprach von der Gefahr, große Datenmengen ohne vernünftige Auswertungsmöglichkeit anzuhäufen. Als konkretes Beispiel benannte er den ICE der Deutschen Bahn, bei dem es ein umfangreiches Diagnosesystem zur technischen und organisatorischen Ursachenermittlung von Verspätungen gibt. So komme es immer wieder zu Laufzeitfehlern und Datenkorruption z.B. aufgrund von Uhrzeitdifferenzen beim Zusammenkoppeln von Teilzügen. Die eigentliche Idee sei es, Alarmmuster durch Zusammenfassung von Fehlermeldungen zu erfassen, um bevorstehende Ausfälle rechtzeitig zu erkennen. So solle im Stile einer „Warenkorbanalyse“ eine Schlussfolgerung, ein Zug mit folgender Fehlermeldung weise im Ergebnis folgende Störungen auf, angeboten werden. Auch Regelvorgänge wie Halt oder Kopplung wiesen spezielle Datenmuster auf.

Der evolutionäre Weg zur „Industrie 4.0“

Geisert sieht in der „Industrie 4.0“ maximal eine Evolution, denn die CIM-Technologie sei ja bereits vorhanden, wenngleich eine matrixartige Vernetzung zu erwarten sei.
GTIV-Präsident Dipl.-Ing. Dirk Pinnow sieht in Geiserts Vortragsbeispielen wesentliche Kernprobleme der Umsetzung des Internets der Dinge und Dienste sowie als dessen Teilmenge der „Industrie 4.0“ angesprochen, denn auch bei der Bildung von Wertschöpfungsnetzwerken mittelständischer Betriebe gehe es ja um Verkopplung bisher unabhängiger Teilsystem zu einem neuen Ganzen (temporäre Arbeitsgemeinschaft bzw. auf Dauer angelegter virtueller Konzern). Die Zusammenführung unterschiedlicher Technologien, Organisationen und Unternehmenskulturen sei eine Mammutaufgabe, an der viele scheitern würden, doch gebe es keine Alternative. Man könne auch aus den Problemen Anderer lernen – z.B. aus jenen der Großindustrie; so lohne es sich, die Erfahrungen der beteiligten Unternehmen an Großprojekten wir „Airbus“ oder „Ariane“ zu analysieren und Schlussfolgerungen für den Mittelstand abzuleiten, ohne die damaligen Fehler selbst zu machen.

Weitere Informationen zum Thema:

Fraunhofer IPK
Claudio Geisert

Berlin.de
Industrie 4.0 in Berlin

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