Industrie 4.0 im Mittelstand: Teilhabe und Wohlstand schaffen

Initiative „Cluster Industrie 4.0“ startet in Berlin

[GTIV, 26.01.2015] Im Zuge der Deindustrialisierung traditioneller Produktions­standorte in den 1990er-Jahren und der sich ausbreitenden Digitalisierung in allen Le­bensbereichen wurde gerne das Bild einer „Dienstleistungsgesellschaft“ im 21. Jahr­hundert gezeichnet, welche eine selbstbestimmte Teilhabe an der Wertschöpfung und am Wohlstand ermöglichen sollte. Inmitten der zweiten Dekade des neuen Jahrtau­sends zeigt sich indes, dass reine Dienstleistungen allein für eine Industrienation nicht ausreichend Wertschöpfungspotenzial bieten und die Gesellschaft in Deutschland sich sogar faktisch immer mehr von der Idee der Sozialen Marktwirtschaft entfernt.
Nach der Mechanisierung, Elektrifizierung und Informatisierung ist eine vollständige Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erwarten – gewisserma­ßen die vierte industrielle Revolution, die sogenannte „Industrie 4.0“. Diese bietet eine Vielfalt an Chancen, gerade auch für den deutschen Mittelstand, birgt aber auch ge­waltige Herausforderungen und Risiken, deren erfolgreich Bewältigung Voraussetzung für die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland in der Zukunft ist.

Clustergründung: Für mehr Realismus und Optimismus

Der Begriff „Industrie 4.0“ drohe zu einem inflationär gebrauchten Modebegriff zu werden – so wie „Cloud Computing“ oder „Internet der Dinge“, warnt Clustersprecher Dipl.-Kfm. (FH) Michael Taube.

CI4 Clustersprecher Michael Taube
Foto: privat

„Noch ist vieles im Fluss, nicht scharf abgegrenzt. Deutschland muss sich auf diesem Gebiet an die Spitze setzen, Standards definieren und das erforderliche Umfeld hinsichtlich Infrastruktur sowie Aus- und Weiterbildung schaffen. Wenn wir es nicht tun, werden sich andere Volkswirtschaften wohl kaum hin­ten anstellen!“, warnt der Clustersprecher.

Ihm gehe es darum, mit Realismus und Pragmatismus, aber auch mit einer gehörigen Portion Optimismus, die Risiken zu erkennen, um ihnen frühzeitig begegnen zu kön­nen, und die Chancen der „Industrie 4.0“ insbesondere für die mittelständische Wirt­schaft in Deutschland und Europa nachhaltig erfolgreich zu erschließen.
Daher hat er mit drei weiteren Gründungspartnern am 1. Dezember 2014 in Berlin das „Cluster Industrie 4.0“ (CI4) ins Leben gerufen, welches am 1. Februar 2015 offiziell seine Tätigkeit aufnimmt. Unternehmer, Hochschullehrer, Ingenieure, Techniker, Ver­bandsvertreter und Wissenschaftler sind aufgerufen, aktiv an der Fortentwicklung des Clusters mitzuwirken.
Taube, Dozent, Projektmanager und PM-Trainer sowie Unternehmensberater, ist u.a. Mitglied im VDI (Beirat der Fachgesellschaft GPP), in der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM), in der International Association of Project Manager (IAPM) und im Verband der IT- und Internetwirtschaft in Berlin und Brandenburg (SIBB); ferner ist er Unterstützer der Berliner Datenschutzrunde.

Fundierte Aus- und Weiterbildung als Erfolgsfaktor

Es sei höchste Zeit, so Gründungspartner Jörg Fleischer, Consultant bei der GPB Con­sulting GmbH in Berlin, dass die Bildungsträger ihre Angebote entsprechend ausrich­ten. „Dabei geht es zunächst noch gar nicht um Spezialwissen, sondern um solide Grundlagen und elementare Kulturtechniken!“, erläutert Fleischer. Gebe es keine sta­bile, belastbare Basis, könne ein solch epochaler Wandel, der eben nicht nur Technik und Wirtschaft, sondern auch die Kultur einer Gesellschaft beeinflusse, nicht gelingen.
Der reindustrialisierte Wirtschaftsstandort im Sinne der „Industrie 4.0“ müsse sich dieser Herausforderung stellen, denn nur so könne Wohlstand auch in Zukunft gesi­chert werden.
Als CI4-Bildungsexperte setzt sich Fleischer dafür ein, über eine zukunftsorientierte Grund- und Spezialausbildung möglichst vielen Menschen die Teilhabe an deren Chan­cen zu ermöglichen.

„Industrie 4.0“ erfordert auch „Sicherheit 4.0“

Gründungspartner Dipl.-Ing. (TU) Carsten J. Pinnow stellt klar, dass zur erfolgreichen Umsetzung von „Industrie 4.0“ auch angemessene Sicherheitskonzepte, insbesondere auf dem Gebiet der Datensicherheit, erforderlich sind.
Das „Internet der Dinge“, welches in letzter Konsequenz geschaffen werden müsse, könne Segen aber auch Fluch sein. „Eine umfassende Vernetzung entlang der gesam­ten industriellen Prozesskette kann nur nach der Devise ,So viel Vernetzung wie nötig, so wenig wie möglich!‘ erfolgen.“ Es müsse grundsätzlich erkannt werden, dass es auch eine Pflicht zur unverzüglichen Entkopplung gebe, wenn z.B. durch einen Malwa­re-Befall eines beteiligten Unternehmens eine Bedrohung für ein gesamtes Wertschöp­fungsnetzwerk oder gar eine Volkswirtschaft erwachsen könnte.
Nicht nur die Technik, sondern auch Rechtsprechung und Kommunikationskultur wür­den sich verändern, so Carsten J. Pinnow, Mit-Herausgeber des Web-Magazins „datensi­cherheit.de“ und stellv. Leiter des Arbeitskreises Sicherheit im VDI BV Berlin-Branden­burg sowie Generalsekretär der Gesellschaft für Transfer immateriellen Vermögens.

Neuer Glanz für „Made in Germany“

„Industrie 4.0“ berühre nicht nur die bekannte Welt der klassischen Industrie. Nahezu alle wesentlichen Lebensbereiche würden betroffen sein, ist sich auch Gründungspart­ner Dipl.-Ing. (TU) Dirk Pinnow sicher.
„Ich sehe gerade für die kleineren mittelständischen Unternehmen in Deutschland eine große Chance – sie können sich zusammen mit in- und ausländischen Partnern quasi temporär zu virtuellen Konzernen verbinden und so auch im globalen Wettbewerb an­treten und bestehen.“ Aber an dieser Chance sehe man auch gleich die Herausforde­rung: nämlich das Vorhandensein einer geeigneten Infrastruktur (nicht allein auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie, sondern auch bei Verkehrs­wegen und zuverlässiger Energieversorgung etc.) sowie interkultureller Fähigkeiten, um eine stabile Netzwerk-ORGA auch grenzüberschreitend zu etablieren.
Für Deutschland biete sich die einmalige Chance, zum internationalen Leitmarkt und -anbieter im industriellen Bereich aber auch in anderen Wirtschaftssektoren, wie Land­wirtschaft und Dienstleistungen, zu werden und so der Marke „Made in Germany“ zu neuem Glanz zu verhelfen.
Dirk Pinnow ist u.a. Gründungspräsident der Gesellschaft für Transfer immateriellen Vermögens sowie Leiter des Arbeitskreises Sicherheit im VDI BV Berlin-Brandenburg.

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